Das Gutachten basiert auf den Recherchen von Dr. Christina Seidl sowie auf der unten zitierten Literatur. Der hochaufragende Obelisk erhebt sich im Wald (ehemals auf einem offenen Wiesenhügel mit weiter Aussicht ins Donautal, ins Tullnerfeld und ins Marchfeld) östlich der Katastralgemeinde Hadersfeld und stellt den letzten Rest des ehemaligen Liechtenstein’schen Landschaftsgartens bzw. Schlossparks Hadersfeld dar.
BEFUND:
Geschichte:
Johann I. Fürst Liechtenstein, der Besitzer des 1517 als Edelsitz genannten Schlosses Hadersfeld (ab 1954 umgehend erneuert) ließ um 1803 nicht nur das Schlösschen von seinem Hausarchitekten Joseph Hardtmuth umbauen, sondern auch den weitläufigen Schlosspark im Stil eines englischen Landschaftsgartens neu konzipieren und mit Staffagebauten, wie Tempel, Jagdsallets, Teichen und Wasserfällen ausstatten. Der Fürst ließ zudem an exponierten Punkten Obelisken errichten und an den Parkkomplex einen Tiergarten für heimisches Wild, wie Rehe, Hirsche, Fasane oder Wildschweine, anschließen Der Garten mit seltenen Gehölzen, wie Winterlinde, Esche oder Rotbuche wurde etwa gleichzeitig von dem in den Diensten des Fürsten stehenden Wirtschaftsrates und Gärtners Bernhard Petri gestaltet. Auf dem Franziszeischen Kataster von 1821 sind um das Schloss Wegeführungen und Grünflächen dieser Gestaltung schematisch erkennbar.
Franz Xaver Schweickhardt Ritter von Sickingen beschreibt 1835 den Hadersfelder Landschaftspark und damit auch den bis heute bestehenden Obelisk: „Oestlich hinter dem Dorfe, (null) auf einer mit Gesträuch bewachsenen kleinen Anhöhe, erhebt sich über einer steinernen Grotte, welche auf vier Seiten steinerne Ruhesitze enthält, ein hoher aus Quadersteinen ausgeführter Obelisk, von dessen Spitze ein vergoldeter Stern herabglänzt, (null) Auch zu diesem schönen Punkte führen gut unterhaltene Pfade zwischen Wiesen und Laubholz in abwechselnden Windungen dahin.“ Die Gartenforscherin Eva Berger bemerkt 2002 dazu, „der wohl nach Plänen von Hardtmuth errichtete Obelisk (null) wurde in Erinnerung an die Triangulierung und an die Grenze des Bistums Passau geschaffen.“
Von all den Bauten die den Liechtenstein’schen Garten zierten, steht heute nur noch der Obelisk aufrecht und ist Teil des Naturparks der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern.
Architekt:
Der aus Asparn an der Zaya in Niederösterreich stammende Joseph Hardtmuth (1758- 1816) kam nach einer Maurer- und Steinmetzlehre bei Franz Meissl in Poysdorf 1787 nach Wien in den Dienst der Fürsten von Liechtenstein und entwarf die Fassade des ehemaligen Palais Liechtenstein in der Herrengasse. 1790 avancierte er zum fürstlich Liechtenstein’schen Baumeister und 1805 zum fürstlichen Baudirektor, in dieser Funktion war er in Böhmen, Mähren, Niederösterreich und Wien mit vielfachen Um- und Erweiterungsbauten von Schlössern, aber auch der Errichtung von Schulen und Patronatskirchen betraut. Daneben plante Hardtmuth auch Landschaftsgärten und errichtete Obelisken, Triumphbögen, Tempel und künstliche Ruinen. Bis heute zählt Joseph Hardtmuth mit Josef Kornhäusel, der ihm als fürstlich Liechtenstein'scher Baudirektor nachfolgte, zu den führenden Architekten der österreichischen Romantik.
Beschreibung:
Der Hadersfelder Obelisk erhebt sich auf einem Hügel in einer Seehöhe von 439 Metern, auf dem schon in der Römerzeit ein Wachtturm, ein „Specula“, bestanden haben soll, während der Türkenkriege brannten hier Warnfeuer, die so genannten „Kreudenfeuer“. Auf dem Kupferstich von Georg Matthäus Vischer aus dem Jahr 1672 ist dieses Feuer auf einer gerodeten Hügelspitze links vom Schloss Hadersfeld dokumentiert. Ethymologisch betrachtet, kommt das Wort Obelisk aus dem Griechischen und bedeutet „kleiner Spieß“, da die aus Ägypten stammenden Obelisken sich nach oben verjüngende und von einer Pyramide abgeschlossene monolithische Steinpfeiler waren. Als Kultsymbol des ägyptischen Sonnengottes war der Obelisk auch bei den Römern beliebt, die häufig originale ägyptische Obelisken ins römische Reich überführten. Ab dem 16. Jahrhundert galt er als Sinnbild von Tugend und Standhaftigkeit, um im Barock und Klassizismus in den Rang eines Hoheitszeichens zu gelangen und daher vor Schlössern und in Schloss- bzw. englischen Landschaftsgärten an markanten Positionen aufgestellt zu werden. Der zeittypischen Architektur entsprechend wurden die Obelisken nun jedoch aus Steinen gefügt und gemauert, den Obelisken als mächtigen Monolith gab es nicht mehr.
Der schlanke, aus geglätteten Steinquadern gefertigte Hadersdorfer Obelisk ragt über einem ebenfalls aus glatten Quadern erbauten Postament mit ausladendem Gesims als Basis für den Obelisken und einer aus Bruchsteinen gefügten Grotte auf. Der Grottenhügel ist nach oben hin eingeebnet und dient als begehbare Plattform für Postament und Obelisk. Im Sinne der künstlichen Ruinen in den Landschaftsgärten der Zeit um 1800 ist der Grottenunterbau in unterschiedlich breiten Rundbögen geöffnet und im Inneren von einem unregelmäßigen Tonnengewölbe überfangen.
Für die Errichtung der Grotte und des Obelisken mit dem bekrönenden Stern durch den Liechtenstein’schen Baudirektor Joseph Hardtmuth gibt es keine schriftlichen Dokumente, auch konkrete Baupläne sind bislang nicht bekannt, dennoch wird in der kunstgeschichtlichen Literatur neben der sonstigen Ausstattung des ehemaligen Landschaftsgartens auch der Obelisk Hardtmuth zugeschrieben. Dies ist auch gerechtfertigt, da Hardtmuth für die Liechtensteins weitere Obelisken in Gärten und an Alleen entworfen hat, so existiert eine Zeichnung mit einem Entwurf für zwei Obelisken, einer für die Straße nach Schrattenthal in Niederösterreich und der andere für die Eisgruber Allee in Südmähren (Wilhelm 1990, Abb. 31).
GUTACHTEN:
Dem gegenständlichen Objekt kommt geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung zu. Die geschichtliche Bedeutung des Hadersdorfer Obelisken manifestiert sich schon darin, dass er der letzte Rest des von Fürst Johann I. Liechtenstein in Auftrag gegebenen englischen Landschaftsgartens mit architektonischen Akzenten und Staffagebauten darstellt. Innerhalb weitläufiger Parkanlagen, deren natürliche Potentiale für eine pittoreske Gesamtwirkung ausgeschöpft wurden, wurden als Ergänzungen der historischen Burgruinen romantisch-antikisierende Bauten, wie Tempel und Obelisken oder künstliche Ruinen geschaffen. Die Neugestaltung der Herrschaft Hadersfeld in den Jahren nach 1800 geht in Ihrer Gesamtheit auf Fürst Johann I. von Liechtenstein, Repräsentant einer der ältesten, in ganz Mitteleuropa politisch aktiven und in ihren künstlerischen Repräsentationsformen hochbedeutenden Adelsfamilie und seinen Baudirektor Joseph Hardtmuth zurück. Die Familie Liechtenstein erwarb zu dieser Zeit in der Umgebung von Wien umfangreichen Grundbesitz, um diese mit der frühen Geschichte des Hauses in Verbindung stehenden Herrschaften in den Dienst einer neu konzipierten Form architektonisch-landschaftlicher Repräsentation zu stellen.
Für die in ganz Europa in Spielarten verbreitete Form der spätfeudalen Umgestaltung des landschaftlichen und baulichen Raumes war auch Hadersfeld als Gesamtanlage bedeutend, da im Standardwerk über Österreichs historische Gärten (Berger 2002) keine Gartenausstattungen mit Obelisken dieser Zeitstellung angeführt sind, ist davon auszugehen, dass es sich um den letzten monumentalen Obelisken in Zusammenhang mit spätbarocker Gartengestaltung auf österreichischem Staatsgebiet handelt.
Die Staffagebauten bzw. künstlichen Ruine mit z. T. mythischem Inhalt sind nicht nur zeittypische Garten- und Parkelemente des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, sondern sind auch als besonders prägend für das Natur- und Kulturverständnis von Fürst Johann I. von Liechtenstein zu bezeichnen. In dieser Besetzung seiner Herrschaften mit dem der Antike oder dem Mittelalter nachempfundenen Staffagebauten und der Sicherung bzw. Wiederherstellung von bereits bestehenden Burgruinen offenbart sich der Anspruch des Fürsten auf historische Kontinuität.
In diesem Aufgreifen von antiken oder mittelalterlichen Bauformen zeigt sich auch die künstlerische bzw. kunsthistorische Bedeutung des Obelisken. Als aus geglätteten Quadersteinen gebaute Nachbildung eines ägyptischen Monolithen, des Obelisken, dem Kultsymbol des Sonnengottes und somit elementares Bauwerk des Sonnenheiligentums stellt der Hadersdorfer Obelisk als Kultbau und Hoheitszeichen ein ursprünglich (vor der Bewaldung) weithin sichtbares Monument der Repräsentation und des Kunstverständnisses der Fürstenfamilie dar. Das bauliche Zusammenspiel von naturbelassener Grotte aus unbearbeiteten Bruchsteinen mit verzogenen, unregelmäßigen Bögen und darüber aufragendem Baukubus aus perfekten architektonischen Linien ist Ausdruck der zeitgenössischen, elitären, auf Philosophiestudien beruhenden Denk- und künstlerischen Ausdrucksweisen.
Als letztes Dokument des Hadersfelder Landschaftsgartens und nun von der Gemeinde Hadersfeld in Erinnerung an die Liechtenstein’sche Herrschaft gepflegtes Denkmal stellt der Obelisk noch immer ein Identifikationsobjekt dar und hat somit auch wesentliche kulturaktuelle Bedeutung.
LITERATUR:
- Georg Matthäus Vischer, Topographia Archiducatus Austriae inferioris modernae (1672) Reprint Graz 1976.
- Mario Schwarz, Architektur des Klassizismus und der Romantik in Niederösterreich Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich Heft 62/63, St. Pölten-Wien 1982, S. 39ff. 9
- Reinhard Zimmermann, Künstliche Ruinen, Studien zu ihrer Bedeutung und Form, Wiesbaden 1989, S. 17ff.
- Gustav Wilhelm, Joseph Hardtmuth 1758-1816, Wien-Köln 1990, S. 61 ff.
- Eva Berger, Historische Gärten Österreichs, Garten- und Parkanlagen von der Renaissance bis um 1930, Bd. 1, Niederösterreich, Burgenland, Wien-Köln-Weimar2002, S. 250ff.
- Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs, Niederösterreich südlich der Donau, Teil 1, A bis L, Wien 2003, S. 661
- www.liechtensteinove.cz/de/objekt/hadersfeld/870/
- www.archätekteniexikon.at/de/1095.htm